Mittwoch, 26. August 2015

Schulpflicht für Flüchtlingskinder - Andreas Bausewein

Andreas Bausewein ist Thüringens Landeschef - nicht der NPD, sondern der SPD - will den Flüchtlingskindern die Schulpflicht nehmen.
Bei Orwells Farm der Tiere wäre er vermutlich ein Schwein.
Einfach gleicher als die anderen ...

Ich werde vom Jugendamt hier gern als Vormund für minderjährige Flüchtlinge eingesetzt, die ohne ihre Eltern einreisen.
Für diese Jugendlichen gilt - Gott sei Dank! - die Schulpflicht.
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass diese Kinder ca 4-5 Monate brauchen, bis sie sich auf Deutsch so weit verständigen können, dass eine Kommunikation mit ihnen gut möglich ist.
Was ich bisher erlebe ist, dass sie das regelmäßig ein Schuljahr kostet.
Das heißt, sie müssen meist die Klasse, in die sie eingeschult wurden wiederholen.
Und dann sind sie schlicht und ergreifend Schüler in der Schule mit etwas mehr Problemen in Englisch, als ihre Klassenkameraden.
Oder in Mathe. Ja, Rhia ist in Mathe eine ziemliche Niete, aber ich glaube, das war sie auch in Syrien schon ;-)
Ansonsten ist gern Englisch ein Problem, denn das hatten sie entweder gar nicht, oder weniger - und dann hier Englisch nachzuholen und gleich ins Deutsche zu übersetzen, ist nicht unbedingt einfach.

Mit den Klassenkameraden stehen meine Mündel übrigens via Whats App in Kontakt.
In Deutsch.
Rhia habe ich mittlerweile beigebracht, mich nicht mehr mit "Was geht?!" zu begrüßen.
Mittlerweile bekomme ich ein strahlendes "Moin!" zu hören.

Herr Bausewein: mit wie vielen schulpflichtigen Flüchtlingen hatten Sie bisher zu tun???

Meine Mündel sind allesamt auf dem Weg zum Schulabschluss.
Und das wollen Sie ihnen nehmen?
Schämen Sie sich!

Sonntag, 9. August 2015

Flüchtlinge mit teuren Smartphones

Ein Punkt, an dem sich viele gern aufregen:
die Flüchtlinge haben "teure Smartphones"!

Ob sie teuer sind, kann ich nicht beurteilen.
Ich selbst habe kein Smartphone und möchte auch keines.

Ich bin aber heilfroh, dass meine Mündel Smartphones haben.
Als wir uns unterhielten, suchte einer einen Begriff und ich schob ihm hilfreich meinen Laptop hin mit "Google Translate".
Er grinste freundlich und nahm lieber sein Smartphone, denn:
das arabische Alphabet sieht komplett anders aus als unser Alphabet und so kann er mit meiner Tastatur im Arabischen herzlich wenig anfangen.
Die Schrift ersetzt sich auch nicht 1:1
Im Flüchtlingscafe hat uns die ewige Präsenz der Smartphones schon oft weiter geholfen (wenn ich an meine Brille gedacht habe).
Als Übersetzer sind die Dinger einfach Klasse.

Und es stimmt, die meisten Flüchtlinge haben ein Smartphone.
Viele standen - auch im Winter - barfuß in Flipflops vor uns, hatten aber ein "teures Smartphone".
Eine von den neuen Helferinnen wunderte sich und so stellte ich ihr einen netten Syrer vor, den ich noch von der Vorwoche kannte.
Er zeigte ihr seine gesamte Familie auf dem Smartphone.
Über dieses Ding hält er mit ihnen Kontakt und darauf sind auch alle Bilder seiner Frau, seiner Kinder, Geschwister, Eltern ... wann und wo er sie wiedersehen wird, steht in den Sternen.
Leider auch ob er sie je wiedersehen wird.
Wenn sein Flüchtlingsstatus anerkannt wird - Asyl kann er knicken, denn er kam auf dem Landweg und da Deutschland komplett von sicheren Drittländern umgeben ist, ist Deutschland für seinen Asylantrag nicht zuständig - hat er 3 Monate Zeit, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen.
Dazu braucht er einen Schwung Dokumente ... und seine Familienangehörigen müssen aus Syrien erst mal zur nächsten Deutschen Botschaft kommen, denn in Syrien gibt es keine mehr. Also in die Türkei reisen oder Libyen ...
Und es dauert derzeit gern ein knappes Jahr, bis der Flüchtlingsstatus überhaupt anerkannt wird.

Wo haben die Flüchtlinge die teuren Smartphones her?
Geklaut???
Ok, ich komme noch mal auf die Tastatur zurück.
Merkt Ihr was?
Sehr unwahrscheinlich, dass Flüchtlinge den besorgten Bürgern die Smartphones klauen ...
Da sind die falschen Buchstaben auf den Tasten.

Die meisten Smartphones werden - meiner Erfahrung nach (die muss nicht stimmen) - aus der Heimat mitgebracht und gehütet wie man sein kostbarstes Gut eben hütet. Zu Beginn der Flucht, sehen die meisten Flüchtlinge vermutlich auch ziemlich modern, sauber und gepflegt aus.

Im Flüchtlingscafe machen wir auch immer einen Kleidermarkt und dafür bekommen wir säckeweise Spenden.
Die Spendenbereitschaft der Menschen ist groß.
Ein Problem ist dabei gern, dass sie dabei gern eine "besser als gar nichts"-Einstellung haben, die von den Flüchtlingen nicht unbedingt geteilt wird.
Ein frierender Flüchtling friert evtl. lieber weiter, als dass er seine moderne Kapuzenjacke durch einen geblümten Damen-Anorak eintauscht und evtl. bleibt er auch lieber in seinen gut zu reinigenden Flipflops als dass er eindeutig schon gut abgelatschte Schuhe annimmt.
Insbesondere, da wir keine Strümpfe im Angebot haben.

Ein relativ absurdes Problem, das wir gelegentlich haben ist, dass die Quantität der eingehenden Kleiderspenden uns völlig überfordert. Wir versuchen im Vorfeld mit den Spendern zu klären, was wir für die Flüchtlinge brauchen:

bitte kleine Kleidergrößen - wir haben herzlich wenig Flüchtlinge dabei, die groß und korpulent sind!
bitte hauptsächlich (möglichst moderne) Jacken, Pullis, Jeans und Turnschuhe.
bitte auf keinen Fall Anzüge! Zu gern werden wir säckeweise mit Anzügen frisch Verstorbener überschwemmt - ganz Kleiderschränke voll Anzüge und Hemden, die den Flüchtlingen nicht passen, in denen sie völlig absurd aussähen und die auch nicht wärmen.
Die Situation mit den Kleiderspenden dürfte überall ähnlich aussehen, denn öfter mal liest man dann, dass undankbare Flüchtlinge sich zu gut für die Spenden waren und sie einfach in den Müll geworfen haben!
Ich tippe darauf, dass das eher verzweifelte Ehrenamtliche waren ...

Ah, noch etwas:
Auch der Bedarf an "sexy Frauenmode" ist herzlich gering.
Auch moderne Flüchtlinge tragen in den Erstaufnahmelagern, in denen hauptsächlich junge Männer aus zig Nationen untergebracht sind, ungern bauchfreie Shirts mit Spaghettiträgern.
1. wegen all der fremden jungen Männer
2. ist es hier kälter als in den meisten Heimatsländern der Menschen

Meine Mündel sehen immer aus, wie frisch aus dem Modekatalog entsprungen.
Das liegt daran, dass sie herzlich wenig Sachen haben und viel Zeit in die Pflege dieser Sachen stecken.
So sehe ich den einen Jungen absolut immer im gleichen T-Shirt und es sieht immer aus, wie frisch aus der Wäsche und frisch gebügelt.

Noch Lust, etwas zu lesen?
Dieser Junge ist noch kein Jahr in Deutschland.
Er ist 17 und lernt und lernt und lernt und kommt nach den Sommerferien wieder in die 9. Klasse der Gemeinschaftsschule.
"Wieder", weil er dort seit Mai schon einmal war - das hatten ein paar nette Nachbarn für ihn organisiert.
Zur Überraschung aller, hat er sich so ins Lernen gekniet, dass man ihn nun die 9. Klasse wiederholen lässt, da er absolut Chancen hat, dann im Stoff mit der Klasse mithalten zu können.
Ein Junge, der von seinen Eltern und Geschwistern getrennt in einer Sammelunkterkunft in einem Vierbettzimmer schläft und lernt.
Er ist der einzige Schüler dort - die anderen sind junge Männer, die noch keinen Zugang zu Deutschunterricht oder sonstwas haben, da ihr Flüchtlingsstatus noch nicht geklärt ist.
Wie viel Ruhe er dort zum Lernen oder Schlafen bekommt, weiß ich nicht - aber er schafft es.
Nicht nur, dass er Deutsch unter Hochdruck lernt, nein auch in Englisch hat er nur geringe Vorkenntnisse mitgebracht und muss nun gleich ins Deutsche übersetzen.
Ich breite das so aus, weil: das schafft er!

Und weil man so viel von besorgten Bürgern hört, erwähne ich mal nebenbei die pensionierte Lehrerin, die unermüdlich mit ihm büffelt. Wer sich ehrenamtlich um Flüchtlinge kümmert, lernt sehr viel mehr pensionierte Lehrerinnen kennen (und lieben!), als besorgte Bürger :)

In den Medien wird Til Schweiger als neuer Retter aller Flüchtlinge gefeiert.
Ich sage Euch:
sehr viel bescheidener und sehr viel wirksamer sind all die pensionierten Lehrer, die man bei der Flüchtlingsarbeit so trifft.

Überhaupt:
wer Zeit übrig hat, dem kann ich die Flüchtlingshilfe nur empfehlen.
Sie macht einfach einen Riesenspaß!
Man lernt sooo viele nette Leute kennen - auch Deutsche - und man steht dem Zuzug der Flüchtlinge so viel zuversichtlicher gegenüber!

Und wenn Dich noch mal Fotos von Flüchtlingen mit teuren Handys verwirren, dann denk dran, dass dieses Handy und die Kleidung, die er auf dem Foto am Leib hat, oft absolut alles ist, was der Mensch da noch besitzt.
Und dass das Handy alles ist, was ihn noch mit seiner Familie verbindet, wenn er alleine gereist ist.



Sonntag, 2. August 2015

In Syrien gibt es Flamingos!

Gestern saß ich mit meinem Mündel am Tisch und wir unterhielten uns.
Damit ich nicht immer den belehrenden Part habe, stelle ich immer auch einen Haufen Fragen.
Die Flucht, Fluchtwege und Fluchtmotive sind dabei tabu, da dies zu sehr nach Verhör riechen würde.
Immer gern genommen - und auch wirklich interessant sind dafür:
Familie, Hobbies und "wo hast du früher gewohnt?".
In "der al zour" - dazu findet man übrigens zig Schreibweisen, da aufgrund der unterschiedlichen "Buchstaben" unser Schrift, eine 1:1 Übersetzung meist nicht hinhaut.
(*deshalb ist es auch immer ein Trauerspiel, was aus den Vornamen gemacht wird ...)
Wir nutzen zum Plaudern die Technik - ich tippe ihm unbekannte Vokabeln auf meinem Laptop in Google-Translate rein und er hält mir hin und wieder sein Smartphone unter die Nase.
(jaaa, ALLE Flüchtlinge haben (hoffentlich!) ein Smartphone, denn sonst verlieren die jeglichen Kontakt zu ihren Familien)
Gestern hatte ich dann die sagenhaft grandios völlig gedankenlos naiv dumme Idee, "Der Al Zour" zu googeln.
In Schweden haben wir das ständig gemacht und dann bei den Bildern geguckt, was wir uns angucken möchten.
Wer "Der Al Zour" googelt und sich die Bilder anschaut, versteht schnell warum ich seither viel Zeit damit verbringe, mir selbst in den Hintern zu treten.
Als hätte man die Luft aus dem Jungen gelassen, wurde er aschfahl und schaute traurig auf den Bildschirm.
Ich überließ ihm die Maus - schnell den Suchbegriff auf "Schokolade" ändern, würde nichts bringen ...
Aber als er genug geklickt hatte, gab ich "Hamburg 2. Weltkrieg" ein und sagte "guck mal, so sah Deutschland aus! Kann man alles wieder aufbauen!"
Ha! Jahrzehntelange intensive Fettnäpfchenerfahrungen führen dazu, dass ich einige Übung im hastigen Wiedergutmachen habe.
Wir guckten uns das kaputte Köln, das zerbombte Kiel, das zerstörte Dresden an und er gab mir einen Einblick in eine erstaunliche Allgemeinbildung, da er mit seinen 17 Jahren sogar Daten kannte und zu den Städten jeweils grübelte, ob sie von Amerikanern, Russen oder Engländern zerstört wurden.
Da ich dies im Detail nicht so sicher weiß, sagte ich wahnsinnig weise, dass wir das im Grunde selbst waren.
Dann lenkte ich auf weniger gruselige Themen um und googelte nach "Flora und Fauna Syrien"
"Oh, ihr habt Steine in Syrien!", sagte ich und wir sind beide fast vor lauter Lachen vom Stuhl geplumpst, aber das oberste Bild auf der Seite ist einfach zuuuuu schön!
Weiter unten findet man die Info, dass es in Syrien Flamingos gibt.
Toll!