Olivers Wunsch, einmal eine Kreuzfahrt mitzumachen, kam bei den Begleitfahrten der Queen Mary auf. Während mir eine Begleitfahrt (raus aus dem Hamburger Hafen) ganz eindeutig ausreichte, wollte mein Sohn mehr:
auch einmal auf so ein Kreuzfahrtschiff drauf.
Als wir dann einmal in Laboe zu Besuch waren und die Color Line an uns vorbeizog, schlug Oliver eine Fahrt nach Oslo vor.
Oslo? Was sollen wir denn dort?
Da ist es teuer und kalt!
Teuer ist es - kalt war es nicht.
Ich habe einen Sonnenbrand bekommen, der mich noch eine ganze Weile im Dunkeln leuchten lassen wird ...
Als zufällig etwas Geld auf mein Konto schwappte, beschloss ich Olivers Wunsch zu erfüllen und buchte uns also auf eine Fahrt nach Oslo samt einer Übernachtung in Oslo, da ich den Gedanken eines nur 4stündigen Landganges eher befremdlich fand.
Für die Rückfahrt konnte ich dann aber lediglich eine - lacht nicht - 5-Sterne-Suite bekommen.
Glücklicherweise nicht zum 5-Sterne-Preis.
Insgesamt hatten wir ein wirklich tolles Wochenende und ja, ich habe auch die Überfahrten genossen. Der Gedanke einmal eine richtige Kreuzfahrt über mehrere Tage oder gar Wochen mitzumachen, bleibt aber absurd.
Mir gefiel es in Oslo - die Zeit auf dem Schiff war nur Mittel zum Zweck.
Wer gerne shoppen geht und die Atmosphäre in den entsprechenden Shopping-Centern mag, wird sich auf der Color Line ganz geborgen fühlen. Es gibt dort zwar deutlich weniger Geschäfte, aber auch in den Shop-freien Etagen, umgibt einen das Shopping-Feeling.
Plinki-Plönki-Musik, viel Glas, viel Chrom, viel dünne Fassade.
Und ganz viele Mitmenschen auf der Schnäppchenjagd, getrieben von der Sorge zu kurz zu kommen.
Es herrschte eine Atmosphäre latenter Unzufriedenheit.
Alles zu teuer, die Schlangen viel zu lang, das Angebot zu gering.
Beim Buffet fühlte ich mich schlicht verarscht, denn aus irgendwelchen Gründen stellte man sich ganz hinten an und ging im Schneckentempo an sämtlichen Speisen vorbei, statt mit seinem Teller einfach nur die Dinge anzusteuern, die man nehmen wollte.
Meine Kinder habe ich so erzogen, sich den Teller nicht zu voll zu laden, sondern lieber öfter zu gehen, was dämlich ist, wenn man sich in einer endlosen Warteschlange einreiht, die an Salaten, Fisch, Fleisch und Beilagen vorbeigeht.
Keiner wollte sich noch einmal anstellen und so sah man überall übervolle Teller, sehr bunte Zusammenstellungen und motzige Gesichter.
Oliver hielt sich an meine Erziehung und an das Nachspeisen-Buffet.
Beim ersten Abendbrot ernährte er sich komplett von diversen Portionen von diesem Buffet, denn glücklicherweise hatte es seine eigene Warteschlange.
Irgendwas ließ die Reisenden wohl doch davor zurückschrecken ihre vollen Teller mit Pudding zu krönen ...
Ich hatte erst gelacht und hielt es dann ähnlich - ich stellte mir meine Mahlzeit ausschließlich aus den Vorspeisen zusammen, denn auf der Hinfahrt war dieses Buffet auch nicht Opfer der Endlos-Schlange geworden - auf der Rückfahrt dann auch.
Verrückt ...
Jeder Hauch von Luxus muss bei so einer Kreuzfahrt übel erdrängelt werden oder man arbeitet in Gruppen ... und so rechte Urlaubstimmung kam bei mir nicht auf - die Zeit auf dem Schiff war einfach nur die Anreise für mich.
Auf der Rückfahrt kamen wir dann in den Genuss ganz lustiger VIP-Rechte.
Als ich zB eine Nummer für den Check-In zog, durfte ich umgehend an den nächsten Schalter, was mir ein gebündelt Maß böser Blicke einbrachte.
Vom Check-In wurden wir in einen gesonderten Vip-Bereich geschickt, der von außen verlockender wirkt als innen :)
Wir hatten dort nämlich allesamt mit den albernen kleinen Teppichen zu kämpfen, die weniger VIP Gefühle weckten, als vielmehr zu Stolperfallen für die Rollkoffer wurden, mit denen wir allesamt unterwegs waren.
ABER wir durften vor allen anderen an Bord und nach einem Blick in unsere Kajüten, wanderten die meisten hoch aufs Sonnendeck.
Fein, freie Auswahl an Stühlen und Sonnenliegen.
Leider blieb das Schiff nicht so leer und das behagliche Genießen der Aussicht, wurde schwerer, als die restlichen Passagiere dazu kamen und natürlich gar nicht einsahen, hinter all den bereits besetzten Stühlen und Liegen stehen zu bleiben.
Die mit dem ganz geringen Glück hatten plötzlich weniger Aussicht auf Wasser und Oslo, als vielmehr auf eine Horde gut bebauchter Männer, die ihre T-Shirts abwarfen, sich gegenseitig mit Bier versorgten und so lange um die Wette rülpsten, bis die Liegen hinter ihnen frei wurden.
Doch, das trübt das Traumschiff-Feeling dann wohl doch ein wenig.
Ich hatte Glück: Oliver hatte unsere Stühle direkt an den Rand geschoben und ich hatte nicht undankbar wirken wollen und sie genau so gelassen.
Wobei ... so ein strammer Kerl hätte mich vielleicht schneller in meinen wunderbar behaglichen Lese-Erker in der Kajüte getrieben?
Und dann würde ich vielleicht ein bisschen weniger leuchten?
Sonnendeck-Nebeneffekt: auch bei starkem Einsatz von Sonnencreme, wird man so rot wie ein Hummer beim Wasserkontakt.
Auch nett sind die Männer, die sich über die Sitzenden rüberbeugen um zu schauen, ob das Schiff ablegt und dabei die um den Hals baumelnden Kameras vergessen, die den Sitzenden dann gerne mal gegen den Schädel donnern.
Nein, ich hatte Glück.
Mein Leiden entdeckte ich erst in der Kabine, als ich mich selbst im Spiegel leuchten sah.
Wenn ihr die Fotos mit den Tischen vor dem grandiosen Fenster zum Meer seht:
so schön war es dort nur, als noch niemand dort saß.
Man brauchte diejenigen, die das Glück hatten, dort sitzen zu dürfen nicht zu tief zu beneiden, denn der Hauch an Atmosphäre, der beim ungestörten Genuss von Mahlzeit und Aussicht hätte aufkommen können, wurde umgehend von den paar Hundert Menschen gestört, die "nur mal eben" zwischen den Tischen hindurchschlüpften um tolle Fotos zu machen.
Frühstück in der Observation-Lounge - eines der VIP-Privilegien - wurde auch umgehend von den Fotografen getrübt, die meinten, die besten Fotos entstünden, wenn man sich auf meine Rückenlehne setzt und gegen die Scheiben blitzt.
Ich weiß, ich bin eine Lästerbacke.
Auf die Shows auf dem Schiff habe ich komplett verzichtet.
Die sich anbahnenden "Beinahe-Prügeleien" waren viel unterhaltsamer.
Nach dem Anlegen zB gab es wunderfeine Szenen.
Alle Passagiere mit Rollköfferchen und nur einem Ziel:
erster von Bord!
Das Schiff hatte sein Tor noch gar nicht geöffnet, da wurde schon heftig gedrängelt.
Die Menge teilte sich in die Steher und die Geher.
Die Steher stellten sich nach dem Ausstieg aus den Fahrstühlen hinter die bereits Wartenden.
Die Geher nutzten sämtliche Lücken zwischen den Stehern um weiter nach vorne zu gelangen.
Nein, die Steher sind nicht die besseren Menschen.
Meist trauen sie sich nur nicht, sich selbst an den anderen vorbei zu mogeln, wollen aber auch um keinen Preis andere vorbei lassen.
Also werden die Koffer und Gatten mit leiser Verbissenheit strategisch so gerückt, dass niemand mehr durchkommt. Eine nur sekundenlang gute Idee, denn plötzlich kommen Angestellte des Schiffes mit Reinigungsgerät bewaffnet und müssen durchgelassen werden. In deren Windschatten dann gerne wieder Geher mit Rollköfferchen, die die frischen Lücken nutzen wollen.
*Rumms* wird schnell, aber mit komplett unbeteiligtem Blick, ein Koffer schnell wieder bündig zur Wand geschoben und man knirscht nahezu hörbar mit den Zähnen, als ein dreister Geher samt Köfferchen drüberspringt.
Glaubt mir, das ist viel lustiger, als die abendliche Show mit bunt gemixten Musical-Einlagen.
(noch dazu, wo ich Musicals nur dann schön finde, wenn sie von irgendwelchen Verwandten geträllert werden) (doch, dann finde ich sie schön) (würde ich heucheln?) (niemals!)
Ich gebe es zu:
mit Blick aufs Meer friedlich zu lesen, fand ich sooooo schön, dass ich herzlich wenig erzählen kann von dem Nightclub, dem Casino, der Show oder oder oder.
Wir haben uns alles kurz mal angeschaut und dann war Oliver sehr froh, dass Mami lesen wollte und Mami sehr froh, dass es einen Teenieclub gab.
Ja, soviel zur Kreuzfahrt.
Ich glaube nicht, dass ich das wiederholen muss.
Einmal ist witzig.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Bitte zumindest mit einem Vor- oder Spitznamen signieren.
:)