Forenlust und Forenfrust

Die meisten Leute, die es tun, gründen ein Forum zu einem bestimmten Zweck.
Bei mir war es mal der, dass ich die vielen Fragen und Antworten, die mir Leute für die Hausfrauenseite schickten, kaum noch einbauen konnte.

Ja, ja ... weiß kaum noch jemand, aber so fing das damals an:

Hi Carola,
meine Frau und ich haben ein Problem: Wir suchen noch immer nach einem Namen für unser Kind.
Bitte tu' was - hilf uns, wir sind kurz vor'm verzweifeln!


Malin ist mittlerweile übrigens 14 Jahre alt und hat vermutlich nicht die geringste Ahnung, dass sie Auslöser für das Forum war.

Ach ja, 1996 war Internet noch etwas komplett anderes als heute.
Es nützt nichts, vergangenen Zeiten nachzuhängen und das Internet ist heute natürlich deutlich vielfältiger, informativer (?) und vereinfacht sicherlich nicht nur meinen Alltag ganz enorm.
Aber die Atmosphäre damals war genial!
Meine Güte, das war Woodstock :)
Mindestens!

Mittlerweile fühle ich mich wie eine Freundin, die ausgerechnet während der WM zu einem Spieleabend eingeladen hatte.
Ihre Besucher saßen irgendwann allesamt grölend vor ihrem Fernseher und sie durfte die Leute mit Bier und Häppchen versorgen. Sie hasst Fußball und wäre insgesamt lieber ins Kino gegangen, als eine Horde Fußballfans zu verköstigen.
Außerdem hatte sie sehr viel Zeit in die Vorbereitung des Spiels gesteckt.
Ihr wisst schon - so ein Spiel, wo die Leute zusammensitzen und Elfen, Zwerge oder sonstwas sind.
Stattdesssen: "Tooooooor!"

Mit der Zahl der Internetuser, sank der Anteil derer, die selbst Seiten basteln.
Dafür stieg auch noch der Anteil derer, die aus kommerziellen Gründen Seiten erstellen.
Naja, dem habe ich mich flugs angepasst, denn natürlich verdiene ich auch gerne Geld.
Und wenn man das dann auch noch mit etwas tun kann, das einem eh Spaß macht: genial!
An den Foren verdiene ich übrigens nichts.
Ist so - wer ein Forum besucht, klickt keine Banner an und mittlerweile gibt es so viele Seiten, dass die im Internet Werbenden immer obskurere Bedinungen durchsetzen können, zu denen Banner geschaltet werden.
Zuerst hatte man relativ hohe Preise für einen bestimmten Zeitraum.
Boah, das waren Zeiten!
Ihr ahnt nicht, was Unilever einem dafür überwies, dass man 6 Wochen lang ein Du darfst-Banner auf die Seite setzte.
"Geil!"
(keine Bange, das Finanzamt weiß es ganz genau und hat entsprechenden Obolus erhalten :)
Relativ bald schon kam der TKP - Tausender-Kontakt-Preis, glaube ich.
Der Preis wurde bestimmt über 1000 Banner-Einblendungen.
Immer noch grandios!
Zig Leute machten sich selbständig, kündigten ihre sicheren Jobs und machten das sagenhaft lukrative Hobby zum Beruf.
Ich weiß noch, wir haben damals auch gegrübelt und ganz toll risikobewusst einkalkuliert, dass sich die Einnahmen ja auch jederzeit - sagen wir mal - halbieren könnten.
Was soll ich sagen?
Der neue Markt brach plötzlich komplett zusammen.
Von "wow!" auf Null in ein paar Tagen.
Glücklicherweise konnten wir problemlos auf "na gut, dann ist es halt wieder ein Hobby" umschalten.
Bei zig Freunden sah das ganz anders aus.
Die haben wir nieeee wieder an irgendwelche Prinzipien erinnert, die mit "also ich würde ja nie, nur für Geld ..." begannen.
Wer Kinder, Hypotheken und eine Selbständigkeit hat, der würde wohl ... und ganz ehrlich, diese Prinzipien-Vergesser und Nischen-voller-Gold-Finder sind mir sehr viel lieber als alle, denen jeder Ehrgeiz des Geldverdienens abhanden gekommen ist.
Ja, ich würde sogar soweit gehen, dass mir zB ein Anwalt lieber ist als ein Hartz 4 Empfänger
Und so habe ich kein Problem mit einem befreundeten Pornoseitenbetreiber (alles ausgewachsene Frauen). Die lernt Mann eh nicht kennen, denn für die meisten Pornoseiten werden immer gleiche Fotobestände neu sortiert. Eine Rubrik wie "lutsch meine Titten!" zusammenzustellen ist übrigens Knochenarbeit. Da muss man Hunderte Bilder von irgendwelchen Nackten auf die sichten, die gerade provokativ ihre Brust in die Kamera halten.
Nicht, dass Ihr meint, der arme Mensch bestellt rassige Frauen ein und genießt eine Fotosession. Seine Frau hilft ihm oft - es ist ein Knochenjob.
Nach ein paar Tagen muss dringend was Neues geboten werden, sonst zücken die Kunden die Kreditkarte nicht.
Da bin ich doch sehr froh um meine Käsekuchenrezepte - auch wenn mir eine gewisse Kreativität im Erfinden neuer Schweinskramrubriken zugestanden wurde.
(es wurde keine einzige davon verwirklicht!)
Außerdem habe ich auch ein "ich würde meine Seiten ja nie mit irgendwelchen Werbebannern verschandeln" von mir gegeben.
Als ich mich zur Alleinerziehenden wandelte und feststellte, wie verdammt gering der Bedarf an mittelalten Bankkauffrauen ist und wie verdammt selten ich zu hause wäre und meine Kinder sähe, wenn ich doch so wieder eine Stelle fände, habe ich die Seiten über Nacht mit Bannern geflutet.
Und freue mich über jede(n), der sich für irgendwas Beworbenes begeistern kann.
Denn - vom TKP sind wir längst weg.
Ich habe nicht viel von den Einblendungen, sondern nur noch was von Klicks.
(und selbst das lässt sich steigern: es gibt Kunden, die zahlen noch nicht mal pro Klick, sondern beteiligen einen üppig an den Umsätzen).
Davon lasse ich aber nur Amazon zu, denn Amazon-Links empfinde ich als Service an meinen Besuchern und *hust* ich kann die Buchcover nutzen ohne wie "ganz damals" meine Bücher auf den Scanner zu legen um ein Bild vom Cover zu haben.
Geld im Internet zu verdienen ist nicht einfacher geworden.
Das liegt an den Bauernschlauen, die immer neue Methoden suchen und finden, Google auszutricksen und in den Ergebnislisten ganz vorne zu landen.
Das sind Leute, deren Ansinn ist keine witzige oder informative Seite zu basteln, sondern Suchmaschinenoptimierung.
Da entstehen dann solche Blüten
In meinen Augen eher sinnfreier Kram, aber irgendwann war das ein Knüller in Sachen Optimierung.
Ist schon lustig - bei Google sitzen sie und werkeln an immer neuen Methoden, solche Seiten nicht weit oben in den Ergebnissen zu haben und auf der anderen Seite sitzen noch viel mehr Leute und versuchen mit genau so einem Blecht an die Kohle zu kommen.
Und irgendwo ganz anders sitze ich und muss begreifen, dass meine sonnige "ach nö, ich mache lieber gute Seiten und mach mich nicht zum Google-Affen"-Einstellung zu gelegentlichen Flauten auf dem Konto führen kann.
Denn längst hänge ich in Sachen Einnahmen komplett von Google ab.
Der Rang in der Ergebnisliste zu bestimmten Suchbegriffen ist wichtig, der Pagerank ist wichtig, ob Google irgendwelche Seiten überhaupt findet ist wichtig und die normalen Bannerkunden gibt es gar nicht mehr - die schalten nun auch über Google.

Die Blogger haben eigentlich das übernommen, was "wir" früher mal waren - Leute, die einfach aus Spaß an irgendwas gute Seiten zu irgendwas bauen.

Ne, ich bin weder frustriert, noch resigniert, noch sonstwas.
Ich habe weiterhin Spaß an meiner Seite, auch wenn sie an Bedeutung komplett verloren hat.
Nicht lachen, aber mit der Hausfrauenseite gehörte ich mal zur Internetprominez.
Web.de hat mir damals einen der ersten "Cool Spots" verliehen um von meinen hohen Besucherzahlen zu partizipieren.
Ach ja, die Award-Welle ...
Aufstrebende Seiten adelten andere Seiten - mit dem Hintergedanken, dass diese gute Seite geschmeichelt den Award veröffentlicht und dann noch mehr Besucher zu dem Award-Vergeber strömen.
Hihi - in einem ordentlichen Haushalt geht nichts verloren ...
Bis 1999 habe ich sie noch gesammelt: Awards und Erwähnungen

Ah, und da steht sie auch noch:
die erste Anschrift der Hausfrauenseite
Die war ja nicht immer www.hausfrauenseite.de
Neeee, wir begannen unter http://www.geocities.com/RainForest/1113/

Gibt es nicht mehr - Geocities.

Mann, Mann, Mann ... gleich fange ich noch an von Dinosauriern zu plaudern - und dem Krieg.

Leider, leider - archive.org hat erst dann Aufzeichnungen alter Seiten gemacht, als ich die http://www.geocities.com/RainForest/1113/ längst aufgegeben hatte.
Die ICF Berlin (gibt es auch nicht mehr) war unsere nächste Adresse.
Die ICF war hochkompliziert, engagiert und irgendwie Klasse.
Man hatte uns angesprochen und eingeladen - selbst hätte ich mich dort nie beworben, denn die sahen sich als Projekt für Künstler.
Unter den Überschriften Medien, Kunst, Text, Musik, Normal, Kommunales, Umwelt und Markt finden sich Projekte wie Allgirls, die Quotenmaschine, Greenpeace Gruppe Berlin, Jugendmailbox Spinnenwerk, Cityscope Potsdamer Platz, Haus der Kulturen der Welt, Kulturbrauerei Prenzlauer Berg, der digitale Umweltatlas, Hausfrauenseiten oder einstürzende Neubauten.

Hausfrauenseite oder einstürzende Neubauten :)
Doch ja, war Klasse.
Als die ICF aufgeben musste, war es dann doch Zeit zu begreifen, dass wir endlich eine eigene URL brauchten. Hausfrauen.de war längst eine Pornoseite und wir wurden zur hausfrauenseite.de

Doch ja, das bereue ich gelegentlich: mir nicht die hausfrauen.de gekrallt zu haben, als die Sache mit den Dommainnamen aufkam.
Aber ach, damals waren wir ja noch derart motiviert, dass wir uns noch über die Kommerzdeppen lustig machten, (Domaingrabber), die schnell möglichst viele Domainnamen an sich rafften um sie dann teuer weiter zu verkaufen.
Tja, wir übten vornehme Zurückhaltung, war rückblickend nicht wirklich clever war :)
(aber edel, gut und viel cooler)
Die Domaingrabber - oder überhaupt die Schnösel, die eine eigene Domain hatten - die Kölner sahen in ihnen gerne den Hahnenwald des Internets.
(Hahnenwald ist das Viertel für die Neureichen und Möchtegerns in Köln - es liegt neben der wunderschön gelegenen Marienburg - close, but no cigar ...)
(und die Marienburg ist das Viertel des alten Kölner Geldadels - alter Baumbestand und Blick auf den Rhein, noch dazu nah am Grüngürtel)

So, und das alles geht mir so durch den Kopf, wenn ich so die Foren betrachte und grüble.
Haben sich Foren durch Facebook und Blogs nicht längst irgendwo überholt?
Manchmal bin ich ein klitzekleinwenig ratlos, wie man die Foren wieder näher an die Seite bringt. Die Schnittmenge der Besucher und Beteiligten an der Hausfrauenseite - und derer, die mir durch ihre Forennutzung Arbeit machen, klafft einfach immer weiter auseinander.
Ich gönne den Leuten ja ihren Spaß - was die mir gönnen, steht dabei aber gelegentlich doch auf einem ganz anderen Blatt ;-)

So, genug in der Vergangenheit gewühlt - jetzt wird Konfitüre gekocht.

Kommentare

  1. Meine Güte - ist DAS Altwerden?

    Beim harmlosen Querlesen, als ich Dich in einer FB-Freundesliste sah, voller Erinnerung an meine ersten Schritte im www geschwelgt, da war die hausfrauenseite das non-plus-ultra :-)

    (und damals war Dein Teenie-Mädel weit weg von Frauenzimmer *g*)

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